Es ist einige Jahre her, als mich ein Engel ansprach. Kein erwachsener Engel, – sondern dem Alter eines zwölfjährigen Jungen entsprechend. Da mein Schutzengel Johannes heißt, und der kleinere Engel auch Johannes hieß, nannten wir den kleineren Engel den „kleinen Johannes“. Wir tauschten uns über Kinderbücher aus. „Momo“ – die Geschichte vom Straßenkehrer Beppo, Momo, Meister Horas und den Zeitdieben. Dann dieses zauberhafte Kinderbuch „Der Wind in den Weiden“ von Kenneth Grahame. Der Maulwurf und die Wasserratte, die in den Frühling aufbrechen. Und schließlich „Krabat“. Die Geschichte von der magischen Mühle in der Niederlausitz, in der Krabat mit dem schwarzen Meister um sein Leben kämpft, – von Ottfried Preußler.
6 Wochen später verabschiedete sich der kleine Johannes von mir.
Einige Zeit später erzählte mir eine Freundin in Norddeutschland, dass ihr kleiner Finn (4-5 Jahre alt) draußen im Garten mit einem „unsichtbaren Freund“ sprach. Er zeigte auf das Haus, und sie hörte, wie er sagte: „Das ist unser Haus!“ – „Das ist mein Papa!“ – „Das ist meine Mama!“ usw. Auch sonst war er anscheinend immer mit irgendjemand im Gespräch, gestikulierte draußen im Garten, wenn niemand ihn sah. Wir telefonierten miteinander, ob es gut wäre, Finn darauf anzusprechen. Evt. würde er seinen „unsichtbaren Freund“ dann verlieren. Schließlich sprach ihn seine Tante beim Kaffee an, und fragte ihn, wie sein „unsichtbarer Freund“ denn hieße,- „heißt er Johannes?“ Die Antwort kam prompt: „Nein! Er heißt „kleiner Johannes!“ Damit war das klar..
Als der kleine Johannes später wieder bei mir vorbeischaute, erzählte er ein wenig, aber ich fragte ihn nicht aus. Finn hat ab und zu Angst vor Gespenstern, wenn er schlafen will. Ob er noch mit Engeln spricht, weiß ich nicht, er ist inzwischen auf der Schule.